Buchempfehlung

BUCHEMPFEHLUNG

Buch von Hans Leuenberger, Prof. Dr. Dr. h. c. mult., Vorstandsmitglied In Memoriam 1653

Buchrezension von Paul Aenishänslin, Dr. rer. pol., Gründungsmitglied In Memoriam 1653

Ein beherztes Plädoyer für die Rehabilitation von Niklaus Leuenberger

Niklaus Leuenberger, Emmentaler Bauer, geboren 1615, gestorben am 6. September 1653 (nach anderen Quellen am 27. August 1653), war der Anführer des Schweizer Bauernaufstands im Jahr 1653.

Dieser Aufstand begann zuerst im Entlebuch, und breitete sich dann auch namentlich im bernischen Emmental aus. Niklaus Leuenberger, von Natur aus kein Condottiere, und ein friedliebender Mensch, wurde in diesen Aufstand hineingezogen, und von den unzufriedenen Bauern zum Anführer bestimmt.

Es gelang dann Niklaus Leuenberger, nach der Belagerung der Stadt Bern mit 16’ 000 aufständischen Bauern, am 18. Mai 1653 den Murifeld-Friedensvertrag mit der Bernischen Obrigkeit, also den regierenden Patriziern, abzuschliessen, dies ohne Blutvergiessen. Dieser Vertrag brachte den unzufriedenen Bauern viele materielle Vorteile, verpflichtete sie aber auch, von nun an wieder brave Bürger unter der Herrschaft der Stadt Bern zu sein. Doch als die Bauern zufrieden die Belagerung der Stadt Bern abbrachen und nach Hause zogen, wurden sie Opfer eines brutalen Rachefeldzugs von Söldnergenerälen im Sold der Stadt Bern, deren Obrigkeit auch sofort den Murifeld-Vertrag als Null und Nichtig erklärte.
Niklaus Leuenberger wurde selbst durch Verrat eines benachbarten Bauern auf seinem Hof im Emmental verhaftet, nach Bern gebracht, dort gefoltert, verurteilt, verspottet und schliesslich hingerichtet.

Sein mutiges Eintreten, für den Murifeld-Friedensvertrag wurde also mit Verrat und dem Tod belohnt. Dabei hätte er es verdient, wie der Autor Dr. Hans Leuenberger meint, als Gandhi der Schweiz geachtet und verehrt zu werden.
Doch es kam ganz anders: Bis heute betrachtet die offizielle Schweizer Geschichtsschreibung ihn und seine Mitstreiter als üble Querulanten, welche zu Recht verfolgt und zu Tode verurteilt wurden, ganz im Sinne der damals herrschenden Berner Obrigkeit.
Deshalb fordert der Autor Dr. Hans Leuenberger zu Recht, dass Niklaus Leuenberger und die Aufständischen von 1653 rehabilitiert und als echte Freiheitskämpfer in den Schweizer Schulbüchern anerkannt werden sollten. Dieser Bauernführer versuchte auf friedliche Weise notwendige Reformen voranzutreiben, die dann erst viel später, mit der Französischen Revolution, ihren Weg auch in die Schweiz fanden. Man könnte also auch sagen, dass Niklaus Leuenberger mit seinem Reformstreben ohne Blutvergiessen seiner Zeit weit voraus war, und nicht die absolutistische Herrschaft des Ancien Regimes des 17. Jahrhunderts passte, in der die Berner Obrigkeit das Sagen hatte und die ihr untertanen Landbauern immer weniger Rechte.

Der Autor Dr. Leuenberger arbeitet sorgfältig heraus, welche Reformchance mit dem blutigen, unfairen Niederschlagen des Schweizer Bauernaufstands 1653 vertan worden ist der eigenen Zeit voraus zu sein.
Es ist demnach nicht erstaunlich, dass bis heute der Kanton Bern Mühe hat wirtschaftlich voranzukommen, und der grösste Bezüger des interkantonalen Schweizer Finanzausgleichs ist.
Die Wurzeln dazu gehen bis 1653 zurück, als die Berner Obrigkeit Niklaus Leuenberger um die Früchte des von ihm friedlich abgeschlossenen Friedensvertrags zwischen Land und Stadt betrog und ihn gleich darauf um sein Leben brachte.

Gandhi ist nicht um sein Leben gebracht worden, nach seinem historischen Erfolg über die britische Kolonialmacht in Indien im Jahr 1947, aber er musste auch mitansehen, wie seine Erben statt friedlich zusammenzuarbeiten, sich bald in zwei verfeindete konfessionelle Lager aufspalteten, und das Kaiserreich Indien unter sich aufteilten. Darum ist es durchaus angebracht, dass der Autor Dr. Hans Leuenberger eine geschichtliche Parallele zwischen Niklaus Leuenberger und Mahatma Gandhi zieht: Bei beiden war friedlicher Erfolg und blutiges Scheitern nahe beieinander.
Dem Autor Dr. Hans Leuenberger ist also ein durchaus gutes, lesenswertes kleines Buch gelungen, das hoffentlich beiträgt, im Sinne von Marc Tribolhorn und seines Kommentars vom 4. April 2018: Die Schweiz leidet nicht an zu viel Geschichte, sondern an zu wenig – und der falschen. Schweizer Geschichte muss neu erzählt werden. Gefragt sind Perspektiven jenseits der Selbstgefälligkeit‘ die längst überfällige Rehabilitation der Aufständischen von 1653 voranzubringen.

Schliesslich war Niklaus Leuenberger ein grosser, friedliebender Berner und Schweizer, seiner Zeit voraus, und nicht ein blasser irregeleiteter bäurischer Unruhestifter ohne positiv zu würdigende Motive, wie er von der Schweizer Geschichtsschreibung bis heute gesehen wird.

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